The Spiral Jetty

Simone Schardt & Wolf Schmelter

Tiefgarage Gessnerallee, Zürich

2005


Teil des Festivals Unruhe bitte! im Theaterhaus Gessnerallee, Zürich

initiiert vom Institut für Theorie, ith der Zürcher Hochschule der Künste


< Blick in die Tiefgarage Gessnerallee



Robert Smithson (1938–1973) löste mit seinem Auftreten das die Fünfziger- und Sechzigerjahre beherrschende Rollenbild vom hart arbeitenden Künstler-Arbeiter ab und führte stattdessen den Subjektentwurf des Künstlers als eine Art „Mittelstandstourist“ (Philip Ursprung) ein. Mit Spiral Jetty errichtete er die Ikone der Land Art, eine Aufschüttung aus schwarzem vulkanischen Gestein in einem Salzsee in Utah. Der Bau wurde gefilmt, Werk und Film sollten sich in der Dialektik von Site und Non-Site als einander ebenbürtige Stellvertreter komplettieren und zugleich einen „Bereich der Konvergenz“ (Smithson) schaffen. Der Künstler, selbst in ein idiosynkratisches Verhältnis zu Film und seiner Apparatur verstrickt, deklarierte den Film zur Skulptur und formulierte in verschiedenen Zusammenhängen Bedingungen für seine Aufführung. In einem Text von 1971 mit dem Titel „A Cinematic Atopia“ vertritt er die Auffassung, Höhlen und stillgelegte Bergwerke seien geeignete Räumlichkeiten, sozusagen als topologische Entsprechung der Annahme einer kristallinen Struktur des menschlichen Sehorgans. Diese Überlegungen lässt er im gleichen Jahr in seinem Plan for a Museum Concerning Spiral Jetty Gestalt werden, in dem er einen höhlenartigen Raum zur alleinigen Präsentation seines Filmes skizziert.

In Anlehnung an diese Aufzeichnungen und Smithsons Forderung nach einer prismatischen Sehweise im Sinne einer Kritik der reinen Optikalität projizierte Kinoapparatom den Film Spiral Jetty in die unterste Etage einer hoch technisierten Tiefgarage in Zürich, deren Wände infolge (kontrolliert) durchsickernden Grundwassers von Alaunfäden und anderen kristallinen Mineralausblühungen überzogen waren. Dieses „Höhlenambiente“ bildete ein geeignetes Dispositiv zur Aufführung des Filmes im Smithson’schen Sinne inklusive der Persiflage auf ein „wahres“ Underground-Kino. Die Anordnung der kinematografischen Apparatur erforderte eine Absperrung des gesamten Parkdecks für den Autoverkehr, wobei für das Publikum der Zugang durch eine bereits vorhandene spiralförmige Ein- und Ausfahrt jederzeit gewährleistet blieb. Entfernte Geräusche anfahrender Autos in den darüberliegenden Geschossen überlagerten sich mit dem Lärm schweren Baugeräts im Film, Fragen nach der ökonomischen Bedingtheit des spektatorialen Moments stellten sich. Der Vorführort wurde von uns in diesem Zusammenhang nicht als ein neutraler Raum inszeniert, vielmehr markierte die Aufführung des Filmes an diesem spezifischen Ort dessen soziale, politische und ökonomische Konstituiertheit, was zugleich die Wahrnehmung des Gesehenen beeinflusste. Dadurch fand der Film in dem Ort seiner Aufführung einen Wahrnehmungsmodulator, sozusagen einen Widerhall.

Der Raum des Films, das Wanderkino Kinoapparatom

Johannes Binotto, in: Neue Zürcher Zeitung, 28. September 2005 

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www.kinoapparatom.net